Fotoprojekt "Friends" mit Galerieausstellung, 1983-1984

Fotoprojekt "Friends" mit Galerieausstellung, 1983-1984
Alfred Niederegger, 1983, Fotografie: Joachim Polzer

Der Porträtfoto-Zyklus "Friends. Lichtbilder von Menschenseelen." war 1983 mein erstes, freies Projekt. Ergebnis und Endresultat des Projektes war 1984 eine monografische Galerieausstellung in der damaligen West-Berliner Galerie "Eylau '5".

"Friends" war 1983 eine fotografische Bestandsaufnahme meines damaligen sozialen Umfeldes: Freunde, Bekannte – also Freunde von Freunden, Schulkameraden, Kommilitonen, Lehrer, Arbeitskollegen, Mentoren, eigene und fremde Verwandte, Nachbarn. Am 12. Januar 1981 bin ich nach dem Abschluss meiner kaufmännischen Berufsausbildung von Stuttgart nach West-Berlin umgezogen. Zwei Jahre später sehe ich hier das soziale Echo meiner Ortsveränderung.

Mein Großvater, Karl Polzer, war seit 1922 bis 1945 Fotografenmeister in Olmütz (aka Olomouc, Tschechien) gewesen; mein Vater Erhard Polzer arbeitete in den 1950er und 1960er Jahren, von Stuttgart aus, als Reisefotograf. Das Projekt war für mich, damals war ich 21 Jahre alt, auch ein Versuch, meine Familientradition durch eigene Praxis auszuloten und darin nachzuvollziehen.

Anita Josephine König, 1983, Fotografie: Joachim Polzer

Während meiner Ausbildungszeit von 1978 bis 1980 zum Werbekaufmann beim Deutschen Sparkassenverlag GmbH in Stuttgart wurde ich in meiner Freizeit Mitglied im "KONTAKT"-Club, der sich um deutsch-amerikanische Beziehungspflege zwischen jungen Deutschen und Menschen in den Einrichtungen der US-Army der zahlreichen USA-Kasernen in der Region Stuttgart kümmerte. Koordinator des KONTAKT-Clubs für Stuttgart war damals Gonzalo Gonzales; meine grüne membership card trug 1980 die Nummer 207. Dadurch erhielt ich Kontakt zu Alfred Niederegger, genannt Al, der damals als photo instructor das Foto-Studio und das Foto-Labor im recreation center in den Kelley Barracks in Stuttgart-Möhringen leitete. Al war gebürtiger Österreicher, er sprach ein mir vertrautes Idiom und ein sehr schönes Amerikanisch, so wie später Arnold Schwarzenegger bekanntermaßen auch, und er war mein erster Mentor der analogen Fotografie, der mich durch Workshops in Lichtsetzung, Belichtung, Cadrage, Materialkunde, Kameratechnik, Studioarbeit und Fotolabor-Technik in Negativentwicklung und Positivlabor einführte. Dass wir beide Fans der Kunst von Yousuf Karsh und Philippe Halsman waren, zeigt mein Posterbild-Porträt von ihm, als Titelbild des Ausstellungsprojektes, oben.

Al ist in späteren Jahren als Tauchlehrer nach Australien ausgewandert, wo er im Great Barrier Reef arbeiten wollte. In der Vor-Internetzeit hat sich meine Spur zu ihm dorthin leider verloren.

Kelley Barracks in Stuttgart-Möhringen, die frühere Helenen-Kaserne der Wehrmacht, ist immer noch in Händen der US-Streitkräfte; seit 2007 befindet sich dort der Africa Command AFRICOM. Mit der grünen membership card von KONTAKT war der Zugang damals, 1980, unbürokratisch und einfach. Die USA hatten bei uns in der Familie damals einen guten Stand, trotz kritischer Fernsehberichte vom Vietnamkrieg der später 1960er- und beginnenden 1970er-Jahre: Meinem Vater haben sie Anfang der 1950er-Jahre den Umzug nach und den beruflichen Start in Stuttgart ermöglicht. Mein Vater hatte mich Anfang der 1970er-Jahre als Kind auch gerne auf das deutsch-amerikanische Volksfest in Robinson Barracks auf dem Stuttgarter Burgholzhof mitgenommen, wo ich die kulinarische Hamburger-Kultur Amerikas am Grill, mit der Beilagen- und Saucen-Großzügigkeit, wie auch den Geschmack des original amerikanischen Speiseeises aus Faltpappschachteln kennen lernen konnte. Selbst die Coca-Cola schmeckte anders und aufregender. Im deutschen Fernsehen der 1970er-Jahre waren US-TV-Serien zudem allgegenwärtig. Die Kultur der USA war damals trotz Vietnam-Flecken tendenziell positiv belegt. New Hollywood zeigte zudem die Fähigkeit zur kollektiven Selbstkritik im kulturellen, filmkünstlerischen Diskurs. Schutzmacht vor Ort gegen den Kommunismus der UdSSR und Soft-Power eben. Die USA wollte ich mir später einmal auch vor Ort ansehen.

Dorothea Geissinger, 1983, Fotografie: Joachim Polzer

Zu den beeindruckendsten Personen, die ich während meiner Ausbildungszeit von 1978 bis 1980 beim Deutschen Sparkassenverlag GmbH (DSV) in Stuttgart kennenlernen durfte, gehörten neben Dorothea Geissinger auch Ulrich Wohlgemuth (1949 - 2014). Wolgemuth leitete damals bereits im Alter von rund 30 Jahren mit viel Elan und Dynamik eine der Werbeabteilungen beim DSV. Viel später hat er sich dann als "Wohlgemuth & Company Werbeagentur" selbständig gemacht. Wohlgemuth als Typ und Temperament hätte wirklich sehr gut in's Ensemble von "Mad Men" gepasst. Dorothea Geissinger und Ulrich Wohlgemuth kannten und schätzten sich dort. Dorothea Geissinger war damals die Hausbibliothekarin beim DSV. Da der DSV auch Fortbildungsfilme für Sparkassenmitarbeiter (sowie Werbespots) produzierte und dafür 16-mm-Filmkopien an seine Sparkassenkunden verkaufte, gab es in der Hausbibliothek auch technische Filmliteratur und Fachzeitschriften zu technischen Themen der Filmproduktion, was ich sehr schätzte. Die praktische Mentorentätigkeit von Al Niederegger ergänzte sich durch das Studium dieser Fachliteratur ideal. In den kollegialen Kontakten zu Dorothea Geissinger ergaben sich weitläufige Gespräche zu Tiefenpsychologie, zu C.G. Jung und zur Astrologischen Menschenkunde. Sie hat mich so an die Literatur von Thomas Ring herangeführt. Die dritte prägende Person, die ich während meiner Ausbildungszeit beim DSV kennenlernen durfte, war Hans Roller, der technische Saalbetreuer des großen Konferenzsaals im Haus Am Wallgraben 115 in Stuttgart-Vaihingen, insbesondere Fachmann für die dort installierte Filmvorführtechnik auf Bauer-Filmprojektoren (aus Stuttgart-Untertürkheim) in den Kinoformaten 35-mm und 16-mm einschließlich Kombi-Schneidetisch von Steenbeck für beide Formate im Vorführ-Nebenraum. Dort wurden am Schneidetisch und im Saal neben den "Industrie- und Instruktionsfilmen" des Hauses auch die TV- und Kino-Werbespots für die Zentrale Gemeinschafts-Werbung (ZGW) der deutschen Sparkassenorganisation abgenommen. Die Heim-Video-Revolution nahm 1979 mit der Europa-Einführung der beiden Videoband-Cassettensysteme Betamax (SONY) und VHS (JVC) langsam Fahrt auf. Da gab es mit Herrn Roller, der sein Handwerk einst im Stuttgarter ROYAL-Kino als Kino-Filmvorführer lernte, viele Möglichkeiten zum fachlichen Austausch in technisch aufregenden Zeiten, als mit audiovisueller Technik filmische Inhalte durch Elektronik und Magnetband nun erweitert und schubhaft für weite Bevölkerungskreise zugänglich wurden. Denn die TED-Bildplatte (Teldec-Telefunken-Decca), u-matic (SONY), transportable Viertelzoll-Spulenband-Videorecorder (von AKAI), Halbzoll-Spulenband-Videorecorder (Philips) und das VCR-System (auch von Philips) gab es ja als Nischenanwendungen bereits zuvor.

Jan Brügelmann, 1983, Fotografie: Joachim Polzer

Jan Brügelmann war Textilunternehmer in Köln und dort FDP-Kommunalpolitiker. Ich habe ihn im Familienumfeld meines Kölner Freundes- und Bekanntenkreises in Tanz- und Ballett-Kreisen kennengelernt. Er hatte sehr hohe Anprüche an die Vereinbarkeit von Kunstpraxis, Moral und eigenen Entscheidungen. Die lebte er auch als Sport-, Kultur- und Familien-Sponsor.

Vera Raudzis, 1983, Fotografie: Joachim Polzer

Mein erstes Arbeitsengagement in West-Berlin war Anfang 1981 die Tätigkeit als Werbekaufmann bei der Tausch & Rüsse Werbeagentur GmbH in der Pacelliallee 47 in Berlin-Dahlem. Dort nahmen mich meine beiden Kolleginnen Charlotte Berndt und Vera Raudzis als jungen Neuberliner unter ihre Fittiche und ermöglichten mir einen sanften Berufsstart in der großen, neuen, überwältigenden Stadt, in die ich am 12. Januar 1981 von Stuttgart kommend umgesiedelt bin. Nach der Insolvenz von Tausch & Rüsse Werbeagentur GmbH im Jahr 1995 war die Residenz Pacelliallee 47 Firmensitz vom Tobis Filmverleih, später auch von StudioCanal bzw. Canal+. Inzwischen wird die Immobilie privat als Wohnhaus genutzt.

Eingestellt wurde ich dort im Sommer 1980 vom neuen, dritten Geschäftsführer, Joachim F. Meier, neben den Gründern Fritz O. Rüsse und Edgar Tausch, der über seine FDP-Kontakte Neugeschäft für die Werbeagentur akquirieren sollte, was sich im Verlauf des Jahres 1981 leider nur marginal einstellte, so dass die Agentur gegen Jahresende 1981 in Liquidationsschwierigkeiten geriet. Bevor Kündigungen beim Personal ausgesprochen wurden, ging ich lieber selbst und zwar Anfang 1982 zur FCB unimedia/uniconsult.

Getraude Krueger, 1983, Fotografie: Joachim Polzer

Über die Schwierigkeiten in einer gerade eben von einem internationalen Network übernommenem lokalen Werbeagentur zu arbeiten, hatte ich bereits geschrieben. Mich drängte es zu einer weiteren Ausbildung. Ich bewarb mich bei der Schule für Fotografie beim Berliner Lette-Verein und bestand die Aufnahmeprüfung. Es war noch eine klassische Ausbildung in analoger, filmmaterialbasierer Fotografie vor Ankunft der Digitalisierung. Mit dem handwerks-orientierten Curriculum dort bin ich allerdings nicht klar gekommen; mich drängte es eher danach, so etwas Lebendiges zu realisieren, wie ein Jahr später eben dieses erste, eigene Fotoprojekt "Friends". Dennoch habe ich beim Lette-Verein viel Theorie aufgesogen: Optik, Farbenlehre, Kameratechnik, Negativlabor (Rodinal in Schalenentwicklung!), Vergrößerungs-/Positivtechnik. Optik-Lehrer Hein war dort sehr fit.

Ich hatte die zweijährige Ausbildung, die im August 1982 startete, nach etwas über einem halben Jahr abgebrochen, was sich im Nachhinein betrachtet aus verschiedenen Gründen als Segen erwiesen hatte. Geblieben waren persönliche Kontakte und Begegnungen mit Lehrern und Kommilitonen. Getraude Krueger, die als Übersetzerin arbeitete und arbeitet, war damals meine Sprachlehrerin für Englisch dort.

Norbert Pintsch, 1983, Fotografie: Joachim Polzer

Der Architekt Norbert Pinsch war damals beim Lette-Verein mein Lehrer für Kunstgeschichte. Ich hatte ihn dort damals für seine Pädagogik scharf kritisiert. Das hat bei ihm wohl einen dauerhaft bleibenden Eindruck hinterlassen.

Denn mit Norbert Pintsch und mit Senta Siller aus der Devision für Mode-Design des Lette-Vereins verband mich schließlich eine über 20-jährige Zusammenarbeit. Die beiden betrieben damals privat die Kreuzberger Galerie "Eylau '5", in der ich dieses Fotoprojekt ausstellen konnte. Darüber hinaus sind in gemeinschaftlicher Zusammenarbeit im Verlauf der Jahre viele Dokumentarfilme entstanden.

Armin Schmolinske, 1983, Fotografie: Joachim Polzer

Armin Schmolinske, Markus Bollen, Christian Thomas und Barbara Schmidt gehörten damals zu meinen Kommilitonen in der Foto-Sektion am Lette-Verein. Ausbildungsziel war ein Abschluss als Fotografengeselle.

Barbara Schmidt ging nach der Lette-Ausbildung zurück nach Oldenburg in Oldenburg, um das Fotogeschäft ihrer Eltern in der Gaststraße 15 zu übernehmen. Sie hatte dort über Jahrzehnte erfolgreich durchgehalten. Am 11. März 2025 berichtete die NordWestZeitung (NWZ), dass sie zum Sommer ihr Fotostudio schließen werde. Zum 31. August 2025 hat sie sich nun in den Ruhestand verabschiedet.

Armin Schmolinske wurde über Jahrzehnte erfolgreicher Fotograf beim Heinrich Bauer Verlag und arbeitet derzeit als Fotoreise-Coach bzw. Fotoreferent für bestimmte Reise-Regionen, wie z.B. Georgien.

Aus Christian Thomas ist ein am Foto-Agentur-Markt erfolgreicher Fotograf mit eigenem Berliner Foto-Atelier und mit freien Projekten geworden.

Markus Bollen hatte Erfolg als freischaffender Fotograf im Kölner Raum bzw. im Bergischen Land. Er übernahm dann bei meinem nächsten Projekt, dem Super-16mm Kurzfilm-Essay "Alles ist gut" 1985 die Kameraarbeit. Markus hat sich zum Meister der Panorama-Fotografie mit der GILDE-Kamera entwickelt.

Markus Bollen war gerade mit dem Lette-Verein fertig geworden, als ich dort anfing. Ich konnte seine Charlottenburger Studentenwohnung in der Kaiserin-Augusta-Allee in der Nähe des Mierendorffplatzes übernehmen, wo ich bis Ende der 1990er Jahre dann wohnte.

Markus Bollen, 1983, Fotografie: Joachim Polzer

Dieses Fotoprojekt realisierte ich auf Kleinbild-Film, Format 135, mit einer Nikon FM Kamera und 85mm Nikor-Optik f2 AI (1977 - 1995) als Porträt-Tele, auf Spezial-Negativfilm Kodak Technical Pan 2415, belichtet auf 18° DIN / 50 ASA, selbst entwickelt mit Tetenal Neofin Doku. Lichtquelle war ausschließlich Tageslicht. Die Handabzüge für die Ausstellung im Format 50 x 60 cm zeigen kein Filmkorn. Die Abbildungen in diesem Blog-Posting sind Digital-Scans und stammen von damaligen Galerie-Abzügen (Format 50 x 60 cm) oder von den Mappen-Belegabzügen (Format 30 x 40 cm). Die Digitalisierung der Original-Kameranegative vom TP2415 im Vollformat steht noch aus. Digital und online ist dies die Erstveröffentlichung des Projektes.

Susanne Fromme, 1983, Fotografie: Joachim Polzer

Aus Susanne Fromme, die ich durch meinem damaligen Köln/Düsseldorfer Tanz- und Ballett-Freundeskreis über meinen Schulkamerad Michael Hülsmann aus der Stuttgarter Realschulzeit kennenlernte, ist eine erfolgreiche, freischaffende Tanzpädagogin geworden, auch als Spezialistin für The Franklin Method.

Thomas Juergens, 1983, Fotografie: Joachim Polzer

Thomas Juergens war Anfang der 1980er-Jahre auch Lette-Schüler und zwar im Bereich Grafik-Design. Durch ihn habe ich mit frischen Ohren die Musik und Stimmung von Tom Waits näher kennen gelernt, die damals perfekt zum morbiden Charme von West-Berlin als Mauer- und Frontstadt, als Halbstadt passte. Mit ihm habe ich als Protagonist noch weitere Foto-Sessions machen dürfen; er war auch einer der beiden Darsteller für mein zweites 16mm-Kurzfilm-Essay "Zeichen und Wunder – Ein Film ohne Ton" aus dem Jahr 1986.

Zuletzt hatte ich eine berufliche Spur von ihm in Australien, nach Stationen in Hamburg, anlässlich einer Internet-Recherche verortet. Allerdings gibt es offenbar mehrere Thomas Juergens, die als Grafik-Designer arbeiten.

Martina Dombrowsky, 1983, Fotografie: Joachim Polzer

Das Fotoprojekt "Friends" zeigt mir heute, nach über 40 Jahren, wie leicht es doch damals, beim Eintritt in's Erwachsenenalter, war, neue Bekanntschaften einzugehen und Freundschaften zu schließen. Das Projekt war Teil von Welterfahrung, Selbsterkenntnis und Identitätsbildung: Wer bist Du? – Wer bin ich? – Es ist für mich heute damit auch eine Zeitreise in ein vergangenes Lebensalter.

Von Lutz Florczak hatte ich über die Jahrzehnte nichts mehr gehört. Eine frische Internet-Recherche zeigt nun einen Lutz Florczak als Casting Manager, Show Manager und Stage Producer, z.B. bei "The Sound of Musik" in Telluride (Colorado, USA) im Umfeld des Telluride Repertory Theatre von vor einigen Jahren. – Ob er das wohl ist?

Lutz Florczak, 1983, Fotografie: Joachim Polzer
Roland Grabowski, 1983, Fotografie: Joachim Polzer
Elizabeth Harvey, 1983, Fotografie: Joachim Polzer
Patrice Leduc, 1983, Fotografie: Joachim Polzer

Read more